Kappadokien: Steine, die uns staunen lassen
Zipfelmützen aus Tuffstein, Höhlenkirchen und eine unterirdische Stadt: Die Region im Binnenland der Türkei verspricht einmalige Erlebnisse.
Eine Ballonfahrt gehört unbedingt dazu.
Von Christian Boergen
An guten Tagen hängen 200 Heißluftballons am Himmel über der Stadt Göreme im Herzen der historischen Provinz Kappadokien. Unter ihnen erstrecken sich Wogen aus weißem Tuffstein und wie Zipfelmützen geformte Felsnadeln. Wohnfelsen, Höhlenkirchen und der 60 Meter hohe Burgberg von Uçhisar - der Göreme Nationalpark und die Felsen von Kappadokien, ein UNESCO Welterbe seit 1985, allein sind schon Attraktion genug, doch die Ballonfahrt über die einmalige zentralanatolische Hochebene macht das Erlebnis erst perfekt. Abdullah Keyíflí, lizenzierter Pilot mit mehreren tausend Flugstunden, steuert den Ballon mit dem Gasbrenner und nutzt dafür die Luftströmungen in unterschiedlicher Flughöhe.
Bis zu 20 Passagiere fasst die Gondel. Ihnen bietet sich ein unvergesslicher Anblick. Da sind andere Ballons, die zu ihren Startplätzen rund um Göreme gefahren werden, manche setzen bereits zur Punktlandung auf dem Anhänger eines Allradfahrzeugs an. Beim Blick senkrecht hinab lassen sich Häuser und Straßen in den Ortschaften zwischen den „Feenkaminen“, den bizarren Tuffsteinformationen, studieren. Zum Greifen nah scheint ein Garten umgeben von Zipfelmützenfelsen. Haarscharf geht es vorbei an spitzen Felsnadeln. Entstanden sind sie durch Erosion mit schwerem Magma bedeckter Vulkanasche aus den inzwischen inaktiven, über 3000 Meter hohen Vulkanen Erciyes und Hasan, zwischen denen sich Kappadokien Traumlandschaft erstreckt.
Eine Klimaanlage aus Tuffsteinwänden
„Festhalten“, ordnet Abdullah an, dann macht es plötzlich „plop“ und die Gondel steht wieder akkurat auf dem Anhänger für den Abtransport. Während Abdullah Helfer die Ballonhülle zusammenlegen, schenkt der Pilot bereits Schampus mit Johannisbeerlikör in Sektgläser. Der Weinanbau in Kappadokien, mit dem bereits die Hethiter 1500 Jahre vor Christus begannen, bringt immer noch Spitzenqualitäten hervor. Heimische Sorten tragen Namen wie Boğazkere (rot) oder Emir und Narince (weiß).
Erfrischend wie die Weinkeller Kappadokiens präsentieren sich die Höhlenkirchen des Göreme-Nationalparks. Die Feuchtigkeit der Tuffwände wirkt als Klimaanlage und hat über Jahrhunderte die Farben der Wandmalereien konserviert. In der Schnallenkirche faszinieren die Blautöne und der Christuszyklus. Bescheiden wirkt dagegen die vermutlich von Mönchen bemalte Barbarakirche, während das „Nonnenkloster“ wie ein Hochhaus im Tuff wirkt. In der Schlangenkirche machen die Heiligen Georg und Theodor hoch zu Ross einem pythongroßen Reptil den Garaus.Höhlenkirchen finden sich auch im Ihlaratal, das der Melendiz bis zu 150 Meter tief in den kappadokischen Fels gefräst hat. Nach sieben Kilometern belohnen in Belisirma Forellen und Fleisch vom Grill Wanderer für ihren Weg durch die grüne Schlucht.
Teekannen aus Ton und unterirdische Kirchen
Auf der anderen Seite des mit 1533 Kilometern längsten Flusses der Türkei ist „Omürlü Ceramics“ ansässig. Der Kızılırmak, übersetzt „Roter Fluss", verdankt seinen Namen seinem eisenhaltigen Wasser. Aus dem angeschwemmten Ton des Flusses fertigt Firmenchef Omürlü Bayramoglu rasch eine Teekanne mit Hilfe seiner fußgetriebenen Töpferscheibe. Die sei gut gegen Rheuma versichert grinsend der Vater einer Tochter und eines Sohnes, der selbst im Alter von acht Jahren mit dem Töpfern begonnen hat. Er hofft, dass einer der beiden den 40-Mitarbeiter-Betrieb fortführt, der inzwischen mehr Keramikteller als gebrannte Gefäße verkauft. Knapp 60 Töpferfamilien seien noch Avanos ansässig, sagt Bayramoglu.
Eine weitere Stadt fehlt noch, um das Bild von Kappadokien abzurunden. Genau genommen ist sie eine von 36, deren Gänge, Wohn- und Vorratskammern sowie Kirchen unter der Erde in den Tuffstein gegraben wurden. Oberirdisch ist Kaymaklı heute ein Dorf, unterirdisch auf acht Etagen aber eine ausgewachsene Stadt. Deren Ursprung geht vermutlich auf die Hethiter bis 3000 vor Christus zurück. Höhepunkt des unterirdischen Lebens war jedoch die Zeit des Römischen Reiches, als urchristliche Gemeinden dort Schutz vor Verfolgung suchten. Dabei halfen Luftschächte, Brunnen, Weinkelter und sogar eine unterirdische Schule. Mit Mühlstein-ähnlichen Rollen konnten die Eingänge verschlossen werden. Außerdem gab es ein ausgeklügeltes Fluchtsystem, das Kappadokiern 1838 noch Schutz vor ägyptischen Truppen bot.
Weitere Informationen
Anreise: Kappadokien ist am besten über den Flughafen Kayseri erreichbar, den unter anderem Turkish Airlines von vielen deutschen Airports (oft via Istanbul) und Sun Express bedienen.
Rundreise: Berge & Meer bietet Rundreisen durch Kappadokien mit İstanbul oder ab Antalya an. Auch mit anschließender Badeverlängerung an der türkischen Riviera.