Von Capri bis Verona: Die schönsten Plätze für den Sundowner
Der Aperitivo läutet in Italien den Übergang zwischen ermattender Tageshitze und fröhlichem Abendleben ein. Oft gerät er gar selbst zum abendfüllenden Programm, von dem man dann gar nicht mehr weg mag.
Von Sandra Ehegartner
Strand, Sonne, Meer oder Stadt, Kultur, Sehenswürdigkeiten: Egal, wie der Tag im Urlaub vergeht, einer der schönsten Momente, um die Tagesereignisse Revue passieren zu lassen, ist die Aperitifzeit. Wir haben einige verlockende Orte für Spritz, Prosecco und Co. in Italien zusammengestellt.
Der Klassiker: Capri
Gegen 18 Uhr, wenn die Tagestouristen erschöpft auf ihre Schiffe zurückgekehrt sind, atmet die Insel auf und es wird ruhiger in Capris Wohnzimmer, der Piazza Umberto I. Dann ist genau der richtige Moment für einen Aperitif, mit etwas Glück sogar mit Blick aufs Meer. Die Dagebliebenen eint ein regelrechtes Insel-Insider-Gefühl. Und fast möchten sie einander im gegenseitigen Wiedererkennen über ihren Campari Orange oder Aperol Spritz zunicken. Etwas außerhalb, genauer gesagt am westlichsten Zipfel der Insel, dafür mit spektakulärem Sonnenuntergangsblick, liegt als Aperitif-Alternative der Leuchtturm, il Faro, mit dazugehörigem Restaurant und Bar. Spätestens dann wird klar, warum dem Sonnenuntergang ein eigenes Lied gewidmet worden ist.
Die Insel der Italiener: Ponza
Wegen ihres glasklaren Wassers gilt die bunte Insel vor Terracina als Schnorchel- und Taucherparadies. Sie zählt zur Gruppe der Pontinischen Inseln. Weniger bekannt als Capri, Sardinien oder Elba und zudem wesentlich kleiner, hat sie sich einen gemütlichen Rhythmus bewahrt. Große Yachten findet man dort selten. Und wenngleich es auf den zwei Ebenen entlang des Hafens zahlreiche Geschäfte gibt, sucht man die Parade internationaler Luxusgeschäfte vergebens. Dafür gibt's Luxus für die Augen beim Sundowner am Hafen. Wer Glück hat und in der Bar dei Pesci einen der Tische an der Hafenmauer ergattert, hat einen herrlichen - leider auch recht üppig bezahlten - Blick über den Hafen und die bunten Häuserfassaden. Kein Wunder, dass Ponza der Sage nach die Heimat der Zauberin Circe war, die schon Odysseus betörte. Heute bezaubert die bunte Insel vorwiegend italienische Stammgäste.
Windmühlenromantik und Piazza-Liebe: Marsala
Nein, wir sind nicht in Holland, sondern im Westen Siziliens. In Marsala, kurz vor der kleinen Insel Mozia mit Blick auf Lagune und Salzmühlen, liegt das Restaurant Mamma Caura, das einen spektakulären Blick auf den Sonnenuntergang bietet. Wer sich festgesessen hat, bleibt gleich zum Abendessen dort. Weniger romantisch, dafür aber lebhafter, geht's auf der Piazza della Republica im Zentrum Marsalas zu. Hier trifft sich, so scheint's, halb Sizilien vor dem Abendessen. Für Besucher gibt es allerhand zu sehen, ob es die süditalienischen Erziehungsmethoden oder die Balzrituale sind oder einfach nur die aktuelle Abendmode. Aus einer Granità werden dann schnell zwei oder drei; wie gut, dass es die Eisgetränke in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Besonders zu empfehlen sind Zitrone und Mandel, sonst natürlich der portähnliche gleichnamige Süßwein Marsala.
Sommer auf der Straße: Neapel
Kinder, die begeistert Fußball spielen und ältere Herren, die mit Anzug und leichtem Strohhut langsam über den Platz bummeln: Auf der Piazza Bellini sieht so das Endes des Tages aus, das man gerne auch hier mit einem Aperitif feiert. Von den bequemen Stühlen des Literaturcafés „Intra Moenia" lässt sich das allabendliche, typisch neapolitanische Spektakel bestens beobachten und bewundern. Keine Lust mehr aufzustehen? Einfach dableiben und Salat oder Pasta bestellen. Und für diejenigen, die immer noch nicht genügend Kulturgüter besichtigt haben: Reste der antiken griechisch-römischen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert vor Christus befinden sich in einem Ausgrabungsfeld auf der Piazza. Na dann, Prost!
Die Heimat von Bellini und Spritz: Venedig
Tja, in der Serenissima haben Besucher wirklich die Qual der Wahl. Soll's der Aperitif-Klassiker der Lagunenstadt, der Bellini sein, der allerdings in der etwas düsteren „Harry's Bar“ genossen werden müsste? Oder vielleicht doch der Spritz auf der Piazza San Marco, Venedigs mondänem Salon? Der Preis bietet leider keine Orientierung, da beide Lokalitäten sich ihre Lage gut bezahlen lassen. Eine salomonische Entscheidung wäre die jahreszeitliche. In kühleren Monaten verdient Harry's Bar den Vorzug. In sommerlichen Abendstunden, wenn eine leichte Brise über den Markusplatz weht, Tauben und Möwen träge und satt gefuttert von Maiskörnern und Essensresten der Touristen über den Dogenpalast segeln und die Tagesbesucher fort sind, geht's auf die gemütlichen Korbstühle des Caffè Florian.


Ewig schön: Rom
Auch in der Hauptstadt Italiens wird es Liebhabern der frühen Abendstunde einfach oder schwer gemacht. Je nachdem, wie sie die Überfülle schöner Plätze und netter Bars bewerten. Die Jugend trifft sich gerne auf dem malerischen Campo dei Fiori. Hier haben sich zahlreiche Caffès und Bars angesiedelt und bieten von Whisky über typische Aperitifs alles, was das Herz begehrt. Die nahegelegene Piazza Navona scheint ihrer Geschichte als Vergnügungsplatz Roms treu geblieben zu sein. Mit Blick auf Maler und ihre Werke lässt sich's aushalten. Wer nach einem ausgiebigen Stadtbummel im Bermudadreieck um die Spanische Treppe nur noch ausruhen und keinen Extraschritt mehr gehen möchte, ist im „Caffè Canova“ an der Piazza del Popolo bestens aufgehoben. Ausgehungerte kommen dort auch auf ihre Kosten: Zu alkoholischen Getränken wird eine herrliche Auswahl an Stuzzichini, kleinen römischen Leckereien, serviert. Aber Achtung, das wissen die Spatzen rund um den Platz auch und setzen sich mit an, besser gesagt: auf den Tisch
Auf einen Apero ins Rivoire: Florenz
Keine Frage, in Florenz findet der Apero, wie er hier heißt, auf der Piazza della Signoria statt. Bei San Bitter oder einem Glas Weißwein im „Caffè Rivoire“ mit Blick auf die Replik von Michelangelos David und andere Skulpturen können die Eindrücke des Tages gemächlich verdaut werden. Wer Kindheitserinnerungen auffrischen möchte oder mit eigenen Kindern unterwegs ist, findet auf der Piazza della Republicca das antike und farbenfrohe Karussell. Rundherum locken zahlreiche Restaurants und Bars, die sich preislich nicht groß unterscheiden und aufgrund ihrer Lage auch nicht direkt als Geheimtipp gelten. Um den Kleinen, eigenen oder fremden, beim fröhlichen Ringelreihen zuzuschauen und die Atmosphäre zu genießen, bieten sie jedoch eine gute Gelegenheit.
Cin cin auf das Studentenleben: Bologna
Dass es in der Universitätsstadt Bologna eine besonders große Auswahl an Bars und Cafés für den Aperitif gibt, ist verständlich. Einer der traditionellsten Orte für Spritz oder Prosecco ist die Piazza Maggiore, direkt vor dem Palazzo del Podestà, genaugenommen sogar ein bisschen im Säulengang des Palastes. Von hier aus lässt sich trefflich das typische Piazza-Treiben mit Straßenmusikern und Künstlern beobachten. Ein Blick auf die italienische Studentenszene lässt sich ebenfalls werfen; die sitzt meist gemütlich direkt auf den warmen Steinen, wenn dort nicht gerade eine Baustelle ist. Romantischer geht's auf der Piazza vor dem Kirchenkomplex „Le sette chiese“ zu. Auf den kleinen, runden Steinen stehen die Stühle der Straßencafés zwar etwas wackelig, doch der herrliche Blick auf die Glyzinienkaskaden der Kirchenmauer gegenüber ist dieses Risiko allemal wert. Und vielleicht fiedelt unter all den Studenten gerade ein künftiger Star zum Gläschen Prosecco. Wer weiß das schon?
Schaulaufen auf der Piazza Brà: Verona
Das Schöne an Verona ist, dass es zum einen überschaubar ist und doch so Vieles bietet. Natürlich zuallererst die Arena, diesen magischen Ort großer sommerlicher Operngefühle. Und weil der Weg vom Stadttor zur Arena und damit auch zur Fußgängerzone weit sein kann, ist er mit Restaurants und Cafés gesäumt, wo sich, sozusagen im Original-Ambiente, der angeblich dort beheimatete Aperol Spritz genießen lässt. Wer es kuscheliger und eingerahmter mag, begibt sich auf die Piazza delle Erbe, zum Beispiel ins „Caffè Filippini“ und erlebt typisches Piazza-Feeling mit Brunnen, spielenden Kindern und verliebten Pärchen. Schnell wird klar, warum Shakespeare seine beiden tragischen Helden ausgerechnet in Verona angesiedelt hat - es ist und bleibt die Stadt der großen Gefühle.

